Ansätze zur Intervention
Im Rahmen meiner jahrelangen Tätigkeit als Moderator zahlreicher Mobbing-Workshops konnte ich vielfältige Erfahrungen mit dem Thema sammeln. Diese Erfahrungen und das Studium der Literatur liegen folgenden Vorschlägen zugrunde:
Es ist aus meiner Erfahrung als Moderator vieler Workshops und Trainer in einschlägigen Seminaren unerlässlich, neben der individuellen gleichzeitig auch die interaktive und die organisationale Ebene einer genaueren Betrachtung zu unterziehen, zumal Mobbing vielfach in der mangelhaften Kommunikation zwischen den Mitarbeitern und nicht in der Persönlichkeit des Angegriffenen die ungelösten Konflikte am Arbeitsplatz begründet sind.
Ein weiteres Charakteristikum des Mobbing ist dabei eine Vermischung und Verwischung der fachspezifisch-beruflichen und sozialen Kompetenzen. Dies bedeutet Konsequenz, dass eine erfolgreiche Mobbing-Intervention auch am konkreten Arbeitsplatz und der damit zusammenhängenden Tätigkeitsbeschreibung ansetzen muss. Nachfolgend werden die Möglichkeiten von Interventionen skizziert, die idealerweise parallel zueinander stattfinden sollte, damit die Konflikte nicht über die verschiedenen Ebenen verschoben werden können:
Einzel-Beratungsgespräche
Auf der individuellen Ebene wird der mobbingbetroffenen Person in Einzelberatungs-Gesprächen zunächst die Möglichkeit geboten, zu seinen ursprünglichen beruflichen und arbeitsrelevanten Stärken zurückzufinden. Ihr Standort und ihre Rolle im Team werden heraus gearbeitet und die Muster aufgedeckt, in welchen sie gefangen ist. Oft ist es schon erhellend, zu erkennen, welche Ziele mit den Mobbing-Aktionen verfolgt werden. Im Laufe dieser Differenzierung des Problems legt die betroffene Person ihre Handlungsschritte fest, die sie aus der anfangs ausweglos erscheinenden Situation herausführen können. In der Beratung wird dafür gesorgt, dass sie ihr Selbstwertgefühl aktiv wieder aufbauen kann und seine Autonomiepotentiale wieder erkennt. Diese Elemente können am besten im Verhältnis zu anderen MitarbeiterInnen im Betrieb, die dem/der Betroffenen wohl gesonnen sind, entwickelt werden.
Häufig bleibt den Betroffenen jedoch auch nur die Erkenntnis, dass sie in einer hoffnungslos verwickelten Situation feststecken, und die einzig mögliche Lösung die Kündigung bleibt, weil eine soziale Unterstützung im oben beschriebenen Sinne nicht möglich ist.
Anzuraten sind auch in diesem Fall begleitende Hilfestellungen bzw. Coachings, um die erlittenen Verletzungen zu verarbeiten und sich neue Kompetenzen und Problembewältigungsstrategien anzueignen, die gegen evtl. spätere Mobbingattacken schützen können. Entsprechende Module können von externen Partnern entwickelt werden.
Entwicklung neuer Formen der Interaktion vor Ort
Ausgangslage für den Mobbingbetroffenen ist zumeist die Isolation am Arbeitsplatz: Von den Kollegen bekommen gemobbte fast ausschließlich negative Rückmeldungen. In dieser Situation ist es besonders wichtig, ein “alternatives” soziales Netzwerk im Betrieb aufzubauen. Erstaunlicherweise erkennen viele Betroffene völlig unverhofft, dass es durchaus Kollegen gibt, die insgeheim zu ihnen stehen. Durch die bewusst hergestellte Distanz im Beratungsverlauf lernen sie, das Machtspiel zu durchschauen und ihnen bietet sich die Chance, über den unmittelbaren Horizont zu schauen. Vielfach entstehen neue Kontakte z.B. zu einzelnen Kollegen der eigenen oder auch anderer Abteilungen.
Wenn im Beratungszusammenhang erst die Angst vor übergeordneten Instanzen geschwunden ist, können sie möglicherweise auch dort “oben” Unterstützung finden. In diesem Zusammenhang kann die betriebliche Interessenvertretung eine wichtige Hilfe bieten, weil sie genauere Kenntnisse über den gesamten Betrieb hat. So ein Prozess kann vom Moderator in einem Workshop initiiert werden.
Strukturanalyse von Team und Betrieb
Einerseits sind es die gestörten Kommunikationsmuster, die sich oft spiegelgleich durch die ganze Organisation ziehen. Andererseits werden Ziel– und Orientierungsverluste von den Mitarbeitern konstatiert, die auf allen Ebenen zu Störungen führen können. Eine Strukturanalyse bietet hier erste Aufschlüsse über die Situation im Betrieb, aber auch über den Standort und die Rolle, welche dem Betroffenen nicht nur im Team, sondern in der gesamten Organisation zugewiesen wurde.
Für eine dauerhafte Lösung des Mobbing-Problems ist es also erforderlich, den bestehenden Zusammenhang zwischen organisationaler und gesellschaftlicher Ebene einerseits und dem Psychoterror am Arbeitsplatz mit seinen gesundheitlichen Folgen transparent zu machen und in die möglichen Bewältigungsstrategien zu integrieren. Diese Form der Relativierung entlastet den Betroffenen von der Alleinschuld an der Krise und macht ihn wieder handlungsfähig. Im Zuge der persönlichen Weiterentwicklung eines Einzelnen können dabei auch andere “Knoten in der Kommunikation” gelöst werden.
Als Erfolg ist dabei zu bewerten, wenn Entwicklungsprozesse in Gang gesetzt werden, welche die destruktiven, personen- und betriebsschädigenden Aktionen unterbinden – oder auf arbeitsrechtlicher Ebene zumindest begrenzen.
Stufen einer kooperativen Konfliktbewältigung
Was genau ist der Konflikt?
Problem ausführlich diskutieren und klären, alle Problemdefinitionen aufgreifen optisch verdeutlichen (z.B. Pinwand), die wichtigsten Problemdefinitionen und eine klare Zieldefinition arbeiten.
Welche Lösungsmöglichkeiten und Alternativen sehen die Konfliktparteien?
Alle Beteiligten einbeziehen, Angst und Blockaden abbauen, Motivierung zu möglichst vielen Lösungsvorschlägen, keine Bewertung der Lösungsalternativen.
Was spricht für, was gegen die einzelnen Lösungsvorschläge?
Alle Vorschläge prüfen, Konsequenzen der einzelnen Vorschläge abwägen, offene und freie Meinungsäußerung aller Beteiligten.
Welcher Lösungsvorschlag ist am besten?
Einigung herstellen, wie über die beste annehmbare Lösung entschieden werden soll (Mehrheit, Konsens), die Lösung genau beschreiben, Prozess der Entscheidungsfindung offen unter Beteiligung aller diskutieren und eine abschließende Stellungnahme verlangen, Ergebnis festhalten.
Wie soll die Lösung umgesetzt werden?
Plan und Wege der Ausführung und Umsetzung erarbeiten, klare Handlungsschritte festlegen, wer was bis wann erledigt.
War die Entscheidung über die Konfliktlösung erfolgreich?
Nachbereitende Untersuchung hinsichtlich des erreichten Ziels, Einhalten von Absprachen (Prozess- und Ergebnisanalyse), ggf. korrigierende Maßnahmen ergreifen.