Maßnahmen für bildungsferne Mitarbeiter

Die folgenden Erkenntnisse stammen aus einem Pilotprojekt, das ich für die Landesregierung Oberösterreich mittels einer Analyse von 20 Unternehmen zusammen mit den Personalverantwortlichen in der Funktion als Workshop Moderator wie auch Sozialwissenschaftler durchgeführt habe. Die zentrale Frage: Was können Unternehmen tun, um niedrig qualifizierte bzw. bildungsferne Mitarbeiter zu Weiterbildung anzuregen?

Erkenntnisse aus den erhobenen Daten und Maßnahmenempfehlungen

Zusammenhang Fluktuation – Bildungsaktivität

Je niedriger die Bereitschaft zur Weiterbildung, desto höher ist die Fluktuation im Betrieb: Dieser bereits nach 5 Interviews gebildete Hypothese bestätigte sich bei den weitern 15 Interviews, die um die Frage der Fluktuation erweitert wurden. Durch diesen negativen Effekt entsteht ein Regelkreis: Hohe Fluktuation bewirkt hohe Unsicherheit – auch beim Personalverantwortlichen, der umso weniger geneigt ist, in die Ausbildung zu investieren (Fa. W.: „(…) da bilde ich sie aus und dann laufen sie mir davon, weil sie mehr Geld wollen“). Diese Angst ist unbegründet:

  • Jene Betriebe, die sich im Bereich der Qualifikation ihrer bildungsfernen Mitarbeiter engagieren, zeichnen sich durch eine weit geringere Fluktuation  aus.
  • Ebenso sind daran keine unmittelbaren Geldforderungen geknüpft: Für bildungsferne Mitarbeiter bedeutet es eine gewisse Wertschätzung. (Die geringe Bedeutung der Entlohnung für die Motivation hat bereits Herzberg in seinem 2-Faktoren-Modell bestätigt)

Zusammenhang Bildungsaktivität – Bildungsniveau des Bildungsverantwortlichen

Je besser die Personal– bzw. Bildungsverantwortlichen ausgebildet sind, desto höher ist ihre Bereitschaft, sich ihrerseits im Bereich der Weiterbildung zu engagieren. Auch diese These konnte in den zwanzig Gesprächen verifiziert werden.

Das Fachgebiet der Personalentwicklung umfasst zum Großteil alle Aktivitäten rund um die Planung und Umsetzung von Weiterbildungsaktivitäten. Reinen Praktikern, die nicht über diesen theoretischen Background verfügen, sollte man Ausbildungen in diesem Bereich näher bringen. Auch dies kann im Rahmen der weiterführenden Gespräche in Kenntnis der Angebote der Bildungslandschaft vorangetrieben werden.

Geringes Wissen über die Potenziale der bildungsfernen Mitarbeiter

Arbeitsplätze nicht beschrieben

Nur 50% der Arbeitsplätze in diesem Bereich sind genau beschrieben – meist hat nur einer der Vorgesetzten Kenntnis vom jeweiligen Anforderungsprofil. Dieses Wissen wird aber nicht explizit dokumentiert – beim Ausscheiden eines solchen Mitarbeiters geht auch sein Wissen verloren.

Potenziale der Mitarbeiter nicht bekannt

Ähnlich ist das Wissen um die Potenziale der bildungsfernen MitarbeiterInnen: Nur ca. 60% erfassen und warten laufend alle Informationen über Kenntnisse und Zertifikate für bildungsferne Mitarbeiter – in den übrigen Fällen weiß zumeist der Vorarbeiter bescheid. So kann gesagt werden, dass auch dieser Umstand eine Barriere gegenüber Weiterbildungsmaßnahmen darstellt: Wenn der Weiterbildungsverantwortliche im Betrieb (in der Regel Personalleiter) weder die genauen Arbeitsplatzanforderungen kennt, noch die Potenziale seiner Mitarbeiter, kann er auch keine guten Entscheidungen hinsichtlich der Weiterbildung treffen.

Auch hier konnten die betroffenen Verantwortlichen durch die Diskussionen sensibilisiert werden. Sinnvoll wäre auch ein weiterführendes Instrument der Potenzialanalyse, z.B. eine (oder periodische) Gesprächsrunden mit allen Beteiligten über einen halben Tag. Diese wurde auch explizit in den Gesprächen erarbeitet und von den PersonalleiterInnen goutiert. Diese Möglichkeit sollte auch verstärkt bei den weiterführenden Gesprächen diskutiert werden – auch hier existieren am Bildungsmarkt einschlägige Instrumente, auf die hingewiesen werden kann.

Sinnvolle weiterführende Instrument

Follow-Ups

„Follow-Ups“: Die verschiedenen weiterführende Instrumente wie Potenzialanalysen, Bildungsbedarfserhebungen für bildungsferne Mitarbeiter konkret nach Abschluss des Gespräches durch den jeweils geeigneten Kursträger anbieten lassen.

Info-Broschüre

Info-Broschüre entwickeln: Nach Abschluss der Offensive könnte aus den gesammelten „best-practice-Beispielen“ unter Einstimmung der beteiligten Firmen ein Broschüre mit Tipps, Facts und Links zum Thema Qualifikation für bildungsferne Mitarbeiter entwickelt werden.

Qualifikations-Audit

„Qualifikations-Audit“ bspw. mit Unternehmer-Akademie entwickeln: Zum bestehenden Angebot an Potenzialanalysen könnte ein spezifisches, für dieses spezielle Klientel besonders gut geeignetes Instrument entwickelt und im Zuge der weiteren Besuche angeboten werden („Qualifikations-Audit“)

Best Practice Modelle

Best Practice Modelle: Zu jedem Punkt könnte ein „best practice“ Vorschlag entwickelt werden (z.B. Prämiensysteme) um auf die Erfolge anderer Betriebe durch das Engagement im Bereich bildungsferne Mitarbeiter hinzuweisen.

Industrieführerschein

„Industrieführerschein“: Neue überbetrieblich verwertbare Zertifikate für bildungsferne Mitarbeiter entwickeln – zum Beispiel bestehend aus Arbeitssicherheit, erste Hilfe, Grundkenntnisse EDV / Elektro, Brandschutz, Basics Organisation-BWL und Deutsch, wenn erforderlich. Dieses Zertifikat („Industrieführerschein“, „Qualitätsführerschein“) könnte entsprechend gefördert werden. Vorteile:

  • Verbesserung der Qualität im Unternehmen
  • Produktivitätssteigerung
  • Gesteigerte Motivation der bildungsfernen Mitarbeiter
  • Verbesserung der Vermittelbarkeit der bildungsfernen Mitarbeiter am Arbeitsmarkt
  • Verringerung von Störfällen und Unfällen

Die genauen Inhalte könnten im Rahmen weiterführender Gespräche mit ergänzenden Leitfaden-Fragen für ganz OÖ repräsentativ erhoben werden.

Senkung des Alters der Männer als Fördervoraussetzung

Mehrfach wurde in den bisherigen Gesprächen dieser Wunsch geäußert – es sprechen folgende Gründe dafür:

  • Je länger die Abwesenheit von Weiterbildung, desto größer wird die Barriere für bildungsferne Mitarbeiter, die ja lt. Studie vor allem bei dieser Gruppe ein großes Problem ist.
  • Jene, die vielleicht im ersten Bildungsweg eine falsche Entscheidung getroffen haben, sollten rasch eine Chance zu einer neuen Karriere erhalten.
  • Für die Betriebe ist es oft attraktiv, bildungsferne Mitarbeiter in Gruppen zu schulen – etwa durch Firmenintern-Trainings. Bei gesenktem Förderalter kommen diese Gruppen leichter zustande.

Vereinfachung der Förderlandschaft

Nach Aussage der meisten PersonalleiterInnen ist das Förder-Procedere zu kompliziert, in Einzelfällen seien die dadurch verursachten Personalkosten höher als die Ersparnis. Als Beispiel dafür wurde auch der Qualifizierungsverbund genannt. Aber auch die AMS- und Land OÖ-Förderungen sind mit einem großen Aufwand verbunden. Darüber hinaus könnten die Antragsverfahren der Fördergeber vereinheitlicht werden.