Online-Marktforschung
Durch die explosionsartige Ausbreitung des Internets begann seit den 1990er Jahren auch die Marktforschung das Internet zu nutzen. In Bezug auf die Entwicklung von Dienstleistungen und Produkten benötigen die Unternehmen schnelle, günstige und exakte Informationen über die neuen, oft internationalen Märkte. Heute kann praktisch jeder Online Marktforschung betreiben.
Aufgrund folgender Eigenschaften ist das Internet für die Marktforschung besonders attraktiv und heute unerlässlich:
- Permanente Verfügbarkeit aller Informationen
- Direkte Adressierbarkeit an Personen und Organisationen, unabhängig von räumlicher und zeitlicher Entfernung
- Die erreichten Personen werden durch ihre interaktiven Handlungen beeinflusst
- Effiziente, kostengünstige Kommunikation durch immer leistungsfähigere Hard- und Software der Internet-Nutzer sowie
- steigende Multifunktionalität durch die Übertragung von Text-, Bild- und Sounddateien, die mehrere Sinne ansprechen und mit z.B. Smartphone und Tablet PC kombinierbar sind.
- Individualität durch Selektion der Informationen
- Integration von Transaktion und Kommunikation wie Online-Banking, Online-Shops, Online-Auktionen etc.
- Anonymität, eine geringere Schwelle zur Teilnahme, nachteilig kann ggf. die nicht mögliche Erfassung demografischer Daten sein.
- Aktivierbarkeit, mit Social Media wie Facebook, Youtube, Communities, Foren oder Blogs werden User zu aktiven Gestaltern.
- Internationalität durch die weitgehende Unabhängigkeit von Raum und Zeit und der zunehmenden Erschließung auch technologisch rückständiger Länder
Dabei geht es nicht nur um die Prüfung neuer Ideen, sondern auch um die laufende Verbesserung des bestehenden Angebotes, wie es z.B. Amazon sehr erfolgreich zeigt (siehe Bsp. am Ende des Beitrags).
Als Workshop Moderator zeige ich vor allem in Strategie Workshops immer wieder diese Möglichkeiten auf.
Online-Marktforschung wird wie bei traditionellen Methoden in Primär– und Sekundärmarktforschung unterteilt. Durch das Internet sind dabei neue Möglichkeiten entstanden, die bestehenden Verfahren zu verbessern, wie in den folgenden Abschnitten kurz dargestellt wird.
Online-Primärmarktforschung
Bei Online-Primärmarktforschung (Online Field Research) werden im Internet aktiv Daten zu einer bestimmten Frage erhoben. Die Erhebung von Primärdaten über das Internet bietet vor allem vor dem Hintergrund der ständig steigenden Internetnutzerzahl in breiten Bevölkerungsschichten eine wertvolle Bereicherung. Dabei können die klassischen Methoden wie
- Befragungen
- Beobachtungen
- Experimente
mit bestehenden oder potenziellen Kunden oder Interessensgruppen in neuer Form eingesetzt werden.
Reaktive Erhebungsmethoden sind eigene, themenbezogene Online-Befragungen. Den befragten Personen ist dabei bewusst, dass ihr Verhalten bzw. ihre Meinung Gegenstand einer Erhebung ist. So kann es wie auch bei klassischen Verfahren zu Befragungseffekten kommen, z.B. zu einem „sozial erwünschten“ Antwortverhalten: Die befragte Person antwortet so, wie sie es für gesellschaftlich erwartet und korrekt hält, gibt aber nicht ihre wirkliche eigene Meinung wieder.
Bei nicht-reaktiven Erhebungsmethoden ist den Versuchspersonen nicht bewusst, dass sie Objekt einer Studie sind. Daher sind diese Methoden frei von Befragungseffekten, die Probanden reagieren völlig natürlich. Das kann z.B. auf der betreffenden, unter Beobachtung stehenden Homepage oder einem Online-Shop eingerichtet werden.
Gegenüber klassischen Experimenten unterscheiden sich Online-Experimente dadurch, dass die erfassten Daten auf einem Server stehen und zu den Probanden via Internet Kontakt hergestellt wird. Das Untersuchungslabor verschiebt sich virtuell zum PC der Probanden.
Online-Sekundärmarktforschung
Online-Sekundärmarktforschung (Online Desk Research) bedeutet den Zugriff zu bereits bestehenden Daten, die entweder vom Unternehmen (interne Daten) oder von anderen Institutionen (externe Daten) für ähnliche Zwecke erhoben wurden. Für diese externen Daten ermöglicht das Internet einen schnellen, weltweiten und sehr günstigen bzw. kostenlosen Zugriff.
Die für die Problemlösung gesuchten Informationen müssen jedoch im vorhandenen Datenüberfluss erst selektiert und auf Vertrauenswürdigkeit, Aktualität und Relevanz geprüft werden. Das heißt, man muss Strategien entwickeln, in der Flut an Informationen die richtigen herauszufiltern. Suchmaschinen und Webkataloge, allen voran Google bieten hier die beste Unterstützung. Allerdings ist aufgrund der Vielzahl der gefundenen Dokumente ein zeitaufwändiges Aussortieren notwendig. Hilfreich ist die Verwendung erweiterter Suchfunktionen, um die Quellen einzuschränken (z.B. gezielte Suche nach Universitäts-Publikationen, Einschränkung auf bestimmte Länder und Sprachen, …).
Professionelle Datenanbieter, wie z.B. Eustat, Statistik Austria oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung und andere Tageszeitungen stellen laufend online aktuelle Statistiken, Presseinformationen oder Wirtschaftsdaten bereit.
Firmeneigene Datenbanken spielen bei Database-Marketing oder One-to-One-Marketing eine wichtige Rolle. Das sind Formen, die eigenen Kunden über das Internet zu erreichen. Diese bestehenden Kundendatenbanken bieten Erkenntnisse über das Verhalten bzw. über Nutzungs- und Kaufgewohnheiten bestehender Online-Kunden. Diese Daten können mittels entsprechender Algorithmen für eine Profilerstellung und Kundensegmentierung nach geeigneten Typologien eingesetzt werden. Die daraus gewonnenen Informationen dienen der laufenden Produkt- bzw. Leistungsgestaltung.
Für fast jedes Unternehmen, das in der virtuellen wie auch in der realen Welt vertreten ist kommen grundsätzlich sowohl Primär- als auch Sekundärmarktforschungsmethoden infrage. Die beschriebenen, kostengünstigen Sekundärinstrumente können vollständig genutzt werden, z.B. können
- Daten über die Zielgruppe erhoben werden,
- Konkurrenzanalysen vorgenommen werden,
- Newsgroups, bzw. Foren und Blogs gezielt zum Thema ausgewertet werden.
Oft fällt die Auswahl schwer. Hilfreich ist vor allem bei größeren Unternehmen en gezielter Workshop mit Moderator zum Thema.
Im Rahmen der Primärmethoden sind bei Bestehen einer entsprechend großen Kundendatei E-Mail-Befragungen und Database-Marketing möglich, wie auch Online-Erhebungen bei Newsgroups und Affinity Groups – wie im folgenden Abschnitt beschrieben:
Marktforschung in den Social Media
Social Media Marktforschung kann auch als eine immer wichtigere Form der Sekundärmarktforschung angesehen werden. Da die Einsicht von Social Media wie vor allem Facebook bzw. Xing oder Google+ eingeschränkt und auf die deklarierten Freunde bzw. Geschäftspartner beschränkt ist, wird auch die Social Media Marktforschung eingegrenzt. Ein erfolgsversprechender Ansatz ist, zu untersuchen, in welchem Medium eine Diskussion zum Untersuchungsgegenstand stattfindet und diese Diskussionen passiv zu verfolgen, z.B. ein Forum oder ein Blog (bei der Suche zum Suchbegriff onsite:forum oder onsite:blog eintippen oder die Google-Buttons benutzen). Hilfreich bei der Suche ist ein möglich einzigartiger Begriff, z.B. eine Produktkategorie, falls es diese schon gibt. Auf diesem Weg kann bei der Recherche schnell ein Treffer erzielt werden.
Social Media kann auch genutzt werden, indem sich das Unternehmen einbringt und aktiv nach Meinungen, Einstellungen oder Vorschlägen fragt. Dabei ist zu beachten, dass die Genauigkeit der Social Media Marktforschung nicht mit den Methoden der Primärforschung vergleichbar ist. Folgende Elemente könnten einer solchen Untersuchung zugrunde liegen:
- Untersuchungsgegenstand (z.B. Gestaltung einzelner Produkt-, oder Dienstleistungsmerkmale bzw. Bestimmung des Sortiments)
- Methode: Zielgruppe, soziales Medium bzw. Befragungsplattform
- Datenerhebung: offene Befragung z.B. im Forum oder Einsatz eines Online-Fragebogens
- Datenauswertung: Mit der Datenmenge steigt auch die Komplexität, von der persönlichen Einschätzung der Texte bis zu quantitativen, statistischen Verfahren der Auswertung und Interpretation.
Ein äußerst erfolgreiches Unternehmen, das alle Möglichkeiten der Online-Marktforschung von Beginn an und laufend nutzt, ist Amazon.
Erfolgsbeispiel: Amazon
Amazon-Gründer und CEO Jeff Bezos ist es gelungen, einen Einzelhandels-Riesen zu schaffen, der zwar immer noch mit Büchern, Musik und Video assoziiert wird, obwohl er Dutzende Millionen von Produkten auf Lager hat. Mittlerweile ist sogar die Mehrheit eine so genannte Nonmedia-Ware: Bohrer, Schuhe, Tennisschläger und fast alles andere, das versendet werden kann. Die Amazon-Aktie stieg in den letzten fünf Jahren um 397%. „Der Kunde hat immer Recht“ ist das Grundprinzip von Bezos, mehr als jedem anderen Entrepreneur ist es ihm gelungen, auf diesem Mantra das digitale Zeitalter zu nutzen. Schrittweise gelang es ihm, online das große Geheimnis der Kundenbedürfnisse ergründen.
Heute hat Amazon 164 Millionen Kunden und 60.000 Mitarbeiter. Das Unternehmen verfolgt seine Performance anhand von mehr als 500 messbaren Zielen. Komplizierte Algorithmen schaffen unzählige Gruppen von Käufern mit „Gewohnheiten aus der Vergangenheit für kundenspezifische Empfehlungen für neue Kunden“. Stündliche Bestsellerlisten können identifiziert und interpretiert werden. Wöchentliche Bewertungen zeigen, was auf Kurs ist oder in Korrekturmaßnahmen Aufmerksamkeit erfordert. Der Webshop wird so für jeden Benutzer individualisiert.
Passende Ansätze zu finden, was über Algorithmen statistisch beobachtet werden soll, ist das Erfolgsprinzip von Amazon. Kunden hassen z.B. Verzögerungen, Mängel und out-of-stock-Produkte, sodass Amazon laufend entsprechende Werte aufspürt und diese reduziert. Z.B. ist selbst die kleinste Verzögerung beim Laden einer Web-Seite wichtig: Amazon-Algorithmen zeigen, dass eine 0,1-Sekunden-Verzögerung beim Laden der Seite einen 1%igen Rückgang der Kundenaktivitäten erbringt. In Kenntnis dieser Ungeduld der Kunden bietet z.B. Amazon auch die Lieferung am selben Tag für einen Großteil der britischen und zehn US-Städte.
Die University of Michigan berechnet jährlich einen Kundenzufriedenheitsindex für die 225 größten Unternehmen Amerikas. Amazon führt den Online-Handel seit Jahren und liegt beständig in den Top 10 unter allen Unternehmen. Der hervorragende Kundenservice allein erklärt den außerordentlichen Erfolg von Amazon allerdings nicht vollständig. Andere High-Touch-Online-Händler können mit dem 48 Milliarden-Dollar-Umsatz Amazon im Jahr 2011 bei weitem nicht mithalten. Das Amazon E-Book Kindle ist z.B. entstanden, weil CEO Bezos fest davon überzeugt war, dass Millionen von Menschen einen hochauflösenden E-Book-Reader wollen, der jedes Buch in 60 Sekunden oder weniger downloaden kann. Die Amazon-Ingenieure mussten diese technische Herausforderung mit allen Mitteln und hohen Investitionen lösen. Es dauerte Jahre, bis Amazon die Hardware entwickelt hatte, solche Geräte zu realisieren. Dieser kompromisslose Perfektionismus scheint trotz der enormen damit verbundenen Kosten ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil für Amazon zu ein.